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Lehrstuhl für Geomorphologie

115 Jahre Sedimentation in der Urftalsperre

Zusammenfassung

Die Sedimente des Urftsee stellen ein einzigartiges Archiv für den Einfluss des Menschen auf die spätholozäne Sedimentzusammensetzung dar. Grund dafür ist, dass es in dem See in den letzten 115 Jahren zu einer fast ungestörten Ablagerung der Sedimente kam. Aufgrund von Bauarbeiten an der Urftstaumauer und der Inspektion des 2,7 km langen Kermeterstollen, über den das Wasserkraftwerk Heimbach angetrieben wird, wurde der Stausee im November 2020 fast vollständig abgelassen. Dies bot die seltene Gelegenheit die Ablagerungen detailliert zu beprobensowie den gesamten Stauraum mittels einem unbenanntem, umgangssprachlich meist als Drohne bezeichneten, Luftfahrzeug (auch UAS für Unmanned Aircraft System) photogrammetrisch zu erfassen. Die Arbeiten erfolgten in Zusammenarbeit mit dem Wasserverband Eifel Rur (WVER).

Der Mensch übt seit Jahrtausenden einen prägenden Einfluss auf die Landschaft aus. Seit dem Beginn der Industrialisierung und insbesondere seit der Mitte des 20. Jh. hat sich dieser Einfluss global nochmals deutlich verstärkt. Im Anthropozän ist der Mensch zum bestimmenden Gestalter der Landschaft geworden. Deutlich manifestiert sich dies in seinem Einfluss auf den Sedimentkreislauf. Während eine intensivere Landwirtschaft, die Abholzung von Wäldern sowie der Bergbau zu einer Zunahme des Sedimenttransportes in den Flüssen geführt haben, resultiert der Bau von Stauseen in einem Sedimentdefizit flussabwärts. Es wird geschätzt, dass ca. 26 % des globalen terrestrischen Sedimentflusses in Stauseen zurückgehalten wird.

Gleichzeitig bilden Stauseen aufgrund ihrer hohen Akkumulationsrate und ihrer ungestörten Sedimentationsbedingungen ein hervorragendes Landschaftsarchiv. Viele anthropogen freigesetzte Schadstoffe, wie z.B. Schwermetalle, Plastik oder langlebige organische Schadstoffe (POPs, persitent organic pollutants) werden in den Sedimenten gespeichert.

Der Urftstausee liegt in der nördlichen Eifel am Übergang zur Niederrheinischen Bucht. Der Stausee hat ein Volumen von 45,5 Mio. m³ und eine Länge von 12 km. Hauptzufluss ist der namensgebende Fluss Urft mit einem Einzugsgebiet von 372 km². Die Urftstaumauer wurde zwischen 1900 und 1905 errichtet und der resultierende Stausee war zu dieser Zeit der größte Mitteleuropas. Aufgaben sind bis heute der Hochwasserschutz, die Wasserversorgung der stromabwärts liegenden Industrie in Trockenperioden und die Energieerzeugung. Zusammen mit dem Rurstausee und dem Obersee, wird die Region auch als Eifler Seenplatte bezeichnet und ist ein bedeutendes Naherholungsgebiet. Für Inspektionsarbeiten wurde der Stausee 2020 fast vollständig entwässert. In Zusammenarbeit mit dem Wasserverband Eifel-Rur (WVER) wurde der Grund des Stausees intensiv vermessen und beprobt, um die Landschaftsgeschichte der Region für die letzten 115 Jahre zu rekonstruieren.

Im Rahmen des Projektes wurden die Ablagerungen im Stausee detailliert sedimentologisch untersucht werden. Dabei wurden geochemische Marker genutzt, um den anthropogenen Einfluss auf die Sedimente in Form von bergbaulich induzierten Schadstoffkontaminationen (z.B. Schwermetalle) zu quantifizieren und mit der Nutzungshistorie im Einzugsgebiet in Verbindung zu setzen. Ein weiterer Schwerpunkt war die Erfassung des Mikroplastikgehaltes der unterschiedlichen Sedimentschichten sein. Da Mikroplastik mit Beginn der Massenproduktion um 1950 erst die letzten 70 Jahre durch den Menschen in das natürliche System eingetragen wurde, können die Sedimentschichten so auch zeitlich differenziert werden. Hierbei zeigt der Nachweis von Mikroplastik in einer Sedimentschicht eine Ablagerung nach 1950. Zusätzlich kann die Sedimenttiefe auf den Referenzzeitraum von 70 Jahren angewandt werden und gibt somit Hinweise auf eine mögliche, punktuelle Sedimentationsrate. Für diese Untersuchungen wurden insgesamt sieben Sedimentkerne aus den Ablagerungen gezogen.

Aus den Aufnahmen der Befliegungen werden sowohl detaillierte Luftbildkarten als auch hochauflösende Geländemodelle erstellt. Die Geländemodelle ermöglichen es uns wiederum im Vergleich mit historischen topographischen Aufnahmen das Sedimentvolumen sowie den veränderten Stauraum der Talsperre zu ermitteln.

Publikationen

 Schwanen, C.A.,        Stauch, G., Schulte, P., Schwarzbauer, J., 2024. Reconstruction of the pollution history of the Urft reservoir: an organic-geochemical investigation. Environmental Sciences Europe 36, 103. https://doi.org/10.1186/s12302-024-00929-2

         Stauch, G., Dörwald, L., Esch, A., Walk, J., 2024a. 115 years of sediment deposition in a reservoir in Central Europe: Topographic change detection. Earth Surface Processes and Landforms 49, 582–600. https://doi.org/10.1002/esp.5722

         Stauch, G., Dörwald, L., Esch, A., Walk, J., 2023a. High-resolution digital surface models (DSMs) of the Urft River valley (Urft Reservoir) from 2020 and 2021, northern Eifel Mountains, western Germany. https://doi.org/10.18154/RWTH-2023-08809

         Stauch, G., Dörwald, L., Esch, A., Walk, J., 2023b. High-resolution digital elevation model (DEM) of the Urft River valley (Urft Reservoir) from 1897, northern Eifel Mountains, western Germany. https://doi.org/10.18154/RWTH-2023-08808

        Stauch, G., Schulte, P., Schwanen, C., Kümmerle, E.A., Dörwald, L., Esch, A., Lehmkuhl, F., Walk, J., 2024b. 115 years of sediment deposition in a reservoir in Central Europe: Effects of the industrial history and environmental protection on heavy metals and microplastic. Earth Surface Processes and Landforms 49, 3419–3436. https://doi.org/10.1002/esp.5914

Projektteam

  • Projektleitung:
    Univ.-Prof. Dr. Georg Stauch (JMU)
    A. Esch (WVER)
  • Sedimentologie und Geochemie:
    Dr. P. Schulte (PGG)
  • Mikroplastik:
    C. Schwanen (EMR)
  • Photogrammetrische Erfassung und Geländemodelle:
    L. Dörwald (PGG)
    Dr. J. Walk (JMU)